Sternenexplosion oder Raumschiff? Im Louvre in Paris befindet sich ein ganz besonderes Objekt. Es handelt sich um eine Stele (Säule – Grabstein), auf der Naram-Sin dargestellt ist. Dieser war von 2273 bis 2219 v. Chr. (mittlere Chronologie) beziehungsweise 2209 bis 2155 v. Chr. (kurze Chronologie) König von Akkad. Akkad war eine Königsstadt in Mesopotamien im späten 3. Jahrtausend v. Chr., deren Lage heute nicht mehr genau bekannt ist. Um die Abbildung auf der (Sieges)Stele von Naram-Sin ragen sich viele Mythen und es kursieren die unterschiedlichsten Interpretationen über die Darstellung. Wer sich jedoch genauer mit dem Glauben des altbabylonischen Reiches beschäftigt, wird schnell merken, dass eine Lösung des Rätsels gar nicht so kompliziert sein muss.

Foto: Louvre in Paris

Zu den Fakten: Die Stele von Naram-Sin besteht aus Sandstein und ist zwei Meter hoch sowie 1,05 Meter breit. Sie wurde vom elamitischen König Schutruk-Nahhunte circa 1158 nach einem Feldzug von Sippar (Babylon) nach Elam (heute Chusistan – Iran) gebracht. Schutruk-Nahhunte regierte von etwa 1185 bis 1155 v.Chr. und gilt als der bedeutendste elamische Herrscher überhaupt. Er wurde vor allem durch seine Feldzüge in Mesopotamien bekannt, durch die er Elam zu einer Großmacht aufbauen konnte. Schutruk-Nahunte ließ in die Stele von Naram-Sin eine Inschrift gravieren: „Ich bin Schutruk-Nahunte König von Ansan und Susa, Herrscher über das Land Elam. Ich zerstörte Sippar, nahm die Stele von Naram-Sin und brachte sie nach Elam, wo ich sie zu Ehren meines Gottes aufstellte“.

 

Fotos: Mesopotamien (links), Schutruk-Nahunte (rechts)

Doch was ist auf der Stele abgebildet? Und was ist so außergewöhnlich daran, dass sich so viele Mythen darum ragen? Die Stele zeigt den König Naram-Sin in einem kurzen Schurz, mit bloßem Oberkörper und einem typisch „germanischen“ Hörnerhelm, wie er im Bergland (wahrscheinlich der Berg Nimugi) den besiegten asiatischen Volksstamm Lullubi gegenübertritt. Er ist mit Bogen und Keule bewaffnet und trägt in seiner rechten Hand einen Pfeil. Am Fuße des Berges ist seine Gefolgschaft abgebildet. Außerdem befinden sich im oberen Teil der Stele ein Fanfarenbläser, eine Priesterin und zwei Sonnen. Zwei Sonnen? Diese Abbildung ist der Ursprung vieler Mythen und Legenden. Im Internet kursieren die unterschiedlichsten Interpretationen dazu: Handelt es sich um einen Kometen oder Meteor? Ist dort eine Sternenexplosion abgebildet, oder sogar ein Raumschiff? Oder fand das dargestellte Ereignis überhaupt nicht auf der Erde statt?

 

Fotos: Stele von Naram-Sin (links), Die zwei Sonnen der Stele (rechts)

Die Antwort auf dieses Rätsel liegt, wie eingangs bereits erwähnt, im Glauben der alten Babylonier: Die beiden Sonnen standen für die Kräfte des Diesseits (Elum) und des Jenseit (Ilum – auch Magische/Schwarze Sonne genannt). Die Magische Sonne ist dabei die Strahlungsquelle des „göttlichen Lichts“ (Ilu) im Diesseits. Bei den Babyloniern hieß sie Bab’Chomet, auf Deutsch in etwa „Tor zum Lichtstrahl“. Es gibt je eine weibliche und eine männliche Ilu-Kraft, aus denen letztendlich alles Bestehende hervorgegangen ist. Zusammen auch die Iluhe genannt, bilden sie die absolute Allmacht.

naram-sin

Foto: Naram-Sin

Dieser kurze Exkurs über den Glauben der alten Babylonier entschlüsselt das Rätsel. Es handelt sich nicht um eine Sternenexplosion oder ein Raumschiff, sondern um die Darstellung des Glaubens über die Kräfte des Diesseits und des Jenseits. Aber auch wenn diese Erkenntnis das Rätsel um die Stele von Naram-Sin gelöst hat, bleibt doch festzuhalten, dass die Darstellung zu den wichtigsten, tiefsinnigsten und aussagestärksten gehört, welche der alte Orient den Menschen heute hinterlassen hat.